Wo (S)teuern wir hin?
Diese Frage stand wohl im Hintergrund des Seminars des Ensheimer-Kreises vom 28.07. – 03.08.2013 im Parkhotel Velbert.
Der offizielle Titel hieß:“ Finanz- und Steuerpolitik – wirtschaftliche Umstrukturierung einer Region“. Zu diesem Thema konnten als Referenten höchst kompetente Fachleute wie der Präsident des Bundes der Steuerzahler Deutschlands, Reiner Holznagel oder Eberhard Kanski, der stellv. Vorsitzende des Steuerzahlerbundes NRW gewonnen werden.
In den – trotz des „trögen“ Themas – sehr interessanten Vorträgen wurde den Teilnehmern die komplizierte, teilweise unübersichtliche und auch ungerechte Steuergesetzgebung und deren Auswirkungen drastisch vor Augen geführt. Da die vielen Zahlen und Fakten meinen Bericht eher langweilig machen würden, habe ich mich entschlossen, an einem Beispiel des täglichen Lebens, dies anschaulich zu machen.
Stellen sie sich vor, die Situation ist wie folgt:
Ich frühstücke bei meinem Bäcker. Wenn ich dann:
1. Einen Kaffee dazu trinke, dann wir der Röstkaffee vorab mit 2,19€/kg besteuert. Nehme ich dazu jedoch einen löslichen Kaffee, so wird dieser vorab mit 4,78€/kg besteuert. Dabei kennt der Staat keine Gnade(keine Geringfügigkeitsgrenze). Privatpersonen, die Kaffe in kleinen Mengen aus dem EU-Ausland über den Versandhandel beziehen sind verpflichte, die Kaffeesteuer anzumelden und abzuführen. So hat der Zoll 2007/08 Strafverfahren gegen Kleinkonsumenten eingeleitet, die im Internet Kaffee aus anderen EU-Ländern bezogen hatten. Diese Strafverfahren brachten nachträgliche Steuereinnahmen von 25.000€ - bei gleichzeitigen Zollpersonalkosten von 800.000€ (Bundesrechnungshof 2009). Seit 2010 (§18, StG) sind übrigens die Versandhändler zum Abführen der Kaffeesteuer verpflichtet.
2. Ein Bier dazu trinke, wird vorab die Biersteuer fällig. Diese berechnet sich folgendermaßen: 0,80€ je Grad Plato Stammwürze, was bei einem „normalen“ Bier mit einem Stammwürzgehalt von rund 12 Grad Plato etwa 9,5 Cent ausmacht – allerdings dient als Steuergrundlage der Jahresausstoß der Brauerei. Erzeugt diese z.B. weniger als 200.000 Hektoliter/a, dann gilt ein ermäßigter Steuersatz.
3. Ein Getränk bevorzuge, das zwischen Wein und Spirituosen angesiedelt ist, aber kein Bier, Sekt oder Wein ist, dann wird es richtig kompliziert, denn es wir die Zwischenerzeugnissteuer fällig nach § 30 SchaumwZwStG!!! Dies berechnet sich wie folgt: Der grundsätzliche Steuertarif beträgt für Zwischenerzeugnisse 153 €/hl. Bei Zwischenerzeugnissen mit einem Alkoholgehalt von höchsten 15% beträgt die Steuer 102€/hl. Sind Zwischenerzeugnisse jedoch in Flaschen mit Schaumweinstopfen und besonderen Haltevorrichtungen enthalten oder beträgt der bei + 20°C auf gelöstes Kohlenstoffdioxid zurückzuführende Überdruck 3 bar oder mehr, dann sind 136€/hl fällig.
4. Natürlich kann ich mein Brötchen auch mitnehmen, dann wird nur ein ermäßigter Steuersatz von 9% fällig. (Die Verkäuferin fragte mich: „Zum hier essen oder mitnehmen?“ – Eine entscheidende Frage, denn esse ich „hier“ wird der volle Mehrwertsteuersatz fällig, ein ständiges Problem an der Currywurstbude oder bei den diversen Fastfood-Ketten!
Ach ja, da ich mit meinem Auto gefahren bin, zahle ich für meine Fahrt zum Bäcker zu den 21% Mineralölsteuern auch noch die Umsatzsteuer von 19% - diese „Doppelbesteuerung“ ist meist der „Normalfall“, als „Versorgungsempfänger“ wird natürlich selbstredend die Pension besteuert.
Kein Wunder, dass nicht nur der Normalbürger hier den Überblick und seine gute Laune verliert, denn leider gilt:“ Die Unkenntnis der Steuergesetze befreit nicht von der Pflicht zum Steuerzahlen. Die Kenntnis darüber aber häufig.“( Meyer Amschel Rothschild, Bankier, 1744-1812).
Der zweite große Themenkomplex war bekanntlich die Umstrukturierung einer Region. Dazu muss man einen Blick zurück in die „goldenen Zeiten“ werfen:
Das Ruhrgebiet gehörte wie das englische Industriegebiet um Manchester, das Saargebiet oder der Manufacturing Belt in den USA zu den Zentren der sog. „Industriellen Revolution“ im 19. Jahrhundert. Diese Regionen „boomten“ auf Grund des Vorkommens von Eisenerz und Steinkohle und des riesigen Bedarfs an Stahl zu der Zeit. Diese Schwerindustrie spielte natürlich in den Weltkriegen und den folgenden Zeiten des Wiederaufbaues nach den Kriegen eine entscheidende Rolle, die allerding in den sechziger Jahren abrupt zu Ende ging. Der Bergbau verlor seine Rolle als Lieferant der Primärenergie an Erdöl und –gas und auf dem Weltmarkt für Stahl machte sich immer stärker die Konkurrenz aus Asien bemerkbar.
Dass dieser Wandel noch immer nicht abgeschlossen ist, zeigt sich am Bild vieler Städte wie Velbert. So war das Bild, das der Bürgermeister in seinem Vortrag von seiner Stadt zeichnete nicht deckungsgleich mit dem Bild, das sich den Teilnehmern aus eigener Anschauung bot. Dass die Region „bessere Zeiten“ hatte, wurde bei einem Besuch des Stadtteiles Langenberg ersichtlich.
Langenberg ist geprägt durch eine verschlafene Gegenwart und vom verblassten Ruhm einer glorreichen Vergangenheit, von der insgesamt 43 repräsentative historische Villen zeugen. Diese Villen wurden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert von den reichen Textilfabrikanten errichtet. Beeindruckende Belege der Zeiten in denen das Ruhrgebiet das wirtschaftliche Herz Deutschlands war und einen Eindruck von Natur, Kultur und Geschichte des Ruhrgebietes konnten die Teilnehmer dann beim Besuch des Ruhrmuseums, des Weltkulturerbes Zollverein, in Essen (www.ruhrmuseum.de) wahrnehmen. Ein Besuch hier ist ein absolutes „Muss!“, wird einem hier doch ein umfassendes Bild der geologischen, geographischen, wirtschaftlichen und historischen Fakten der Region geboten.
Ein weiteres absolutes „Highlight“, das ein Schlaglicht auf Macht und Reichtum der damaligen „Stahlbarone“ wirft, eröffnet sich dem Besucher in der „Villa Hügel“(www.villahuegel.de), einem herausragenden Beispiel des Wohnstils der Gründerzeit, die mit dem Höhepunkt der Industrialisierung im 19. Jahrhundert einher geht.
Die Villa, 1873 von Alfred Krupp erbaut, diente bis zum Ende des 2. Weltkrieges den Familien Krupp bzw. Krupp von Bohlen und Halbach als Wohn- und Repräsentationsgebäude hoch über dem Baldeneysee und dem Ruhrtal. Sie liegt mit ihren 269 Räumen auf 8100 Wohn-und Nutzfläche in einer 28 Hektar großen Parkanlage. Heute wird die Villa von der Kulturstiftung Ruhr zu kulturellen Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt.
Natürlich gehörte auch dieses Jahr die Kontaktpflege untereinander zu einem ganz wichtigen Bestandteil des Seminars. So boten die warmen Sommerabende genügend Gelegenheit oft bis in die tiefe Nacht die bestehenden Kontakte zu vertiefen, neue zu knüpfen oder einfach nur unter Freunden in fröhlicher Runde z.B. einen Geburtstag zu feiern.
An dieser Stelle daher ein ganz großes Dankeschön an Rudolf, dem „Patronus circuli “ und „Hanno“(wie ich sie nennen darf), der „Mater omnium!“
Wie immer wurde am Ende der Tagung Ort und Zeit für das nächste Seminar von den Teilnehmern festgelegt. Es soll in der Zeit vom 27.7. bis 02.08. 2014 stattfinden, der Ort ist noch offen.
Egal wo auch immer, ich freue mich schon auf die gemeinsamen Tage!