„Mit Laptop und Lederhose- Hightech und Tradition"
Herbert Kihm
2011 bot das Seminar des Ensheimer-Kreises allen Teilnehmern dieser traditionellen Veranstaltung die Möglichkeit, sich intensiv mit Wirtschaft und Kultur einer ehemaligen Randregion Deutschlands zu beschäftigen , die heute zu den Regionen mit höchstem Wachstumspotential gehört und wie immer standen dazu kompetente und hochrangige Referenten zur Verfügung.
In dem folgenden Beitrag soll versucht werden einige Aspekte der Tagung beispielhaft näher zu beleuchten, wobei diese - subjektive - Auswahl des Autors dabei keinesfalls bedeutet, dass andere Beiträge von geringerer Bedeutung oder weniger Interesse gewesen sind.
Hierzu zählen z.B. der Beitrag von Herrn Karl Holmeier, MdB zum Thema „Der Landkreis Cham-die ostbayerische Aufsteigerregion", der Beitrag von Herrn Johann Braun, dem Geschäftsführer der Arbeitsagentur Cham, der als Fachmann den vorgehenden Vortrag mit Faktenmaterial unterfüttern konnte oder die Präsentation des Ministerialrates im Bayerischen Staatministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Herrn Dr. Hans Schachtner („Der bayerische Weg in der Wirtschaftpolitik"), in dem das Leitthema des Seminares , nämlich Tradition und Fortschritt, in vielen Zitaten auftauchte, z.B.: „Konservativ sein, heißt an der Spitze des Fortschrittes zu stehen" oder: "Neben Fortschritt und Innovation gehören zu bayerischen Weg auch der Mut zu unbequemen Entscheidungen und Beharrungsvermögen bzw. Beharrlichkeit".
Der Seminarort, Cham, die „Stadt am Regenbogen" oder auch „Tor zum Böhmerwald" genannt, ist Kreisstadt im Regierungsbezirk Oberpfalz des Freistaates Bayern.
Geographisch liegt Cham mit seinen 16 975 Einwohnern(Dez.2010) rund 20 km von der tschechischen Grenze entfernt an der sog. Cham-Further-Senke, die den Oberpfälzer Wald vom Böhmerwald trennt. Sie unterhält mit der tschechischen Nachbarstadt Domazlice, dem ehemaligen böhmischen Taus, vielfältige Beziehungen.
Wie die 1. Bürgermeisterin, Frau Karin Bucher, in ihrem Einführungsreferat darlegte, befinden sich in der Stadt bei einer Einwohnerzahl von 16.975 (Dez.2010) 600 kleinere und mittlere Betriebe sowie einige international tätige Großunternehmen. Somit besitzt Cham eine überaus prosperierende Wirtschaft mit einer Arbeitslosigkeit von lediglich 3%. Die Stadt ist Mittelzentrum mit sämtlichen Schulformen, einer FOS und BOS, einer Fachakademie sowie einem Technologie-Campus (Schwerpunkt Mechatronik) der Hochschule Deggendorf.
Noch ein Wort zu einem sicherlich überraschenden poltischen Aspekt: Der Stadtrat umfasst bei 24 Ratsmitgliedern ein Spektrum von 12 Parteien bzw. Wählergemeinschaften (!), die 1. Bürgermeisterin (FW) wurde am 02.03.2010 mit 62,3% direkt in ihr Amt gewählt.
Ergänzt wurden diese aktuellen Informationen dann am Nachmittag durch die historischen Aspekte, die bei einem Stadtrundgang erkundet wurden.
748 erfolgte die Gründung der Urpfarrei Chammünster durch das Kloster St.Emmeram/Regensburg. 976 wird Cham zum ersten Mal als Stadt erwähnt. Cham und seine Bürger hatten durch die Jahrhunderte oft unter Kriegsereignissen zu leiden(die Hussitenkriege im 15. Jh. , den 30 jährigen Krieg, den Spanischen Erbfolgekrieg, durch die Panduren unter Franz Freiherr von der Trenck und letztendlich im 2. Weltkrieg).
Sehenswert bei einem Stadtrundgang sind u.a. die Pfarrkirche St. Jakob, die Klosterkirche Maria Hilf, das historische Rathaus oder das Biertor aus dem 14. Jahrhundert.
Auf der „neuen" Florian-Geyer-Brücke erinnert eine Fotogalerie an den Film „Die Brücke" von Bernhard Wicki, der an der ehemaligen Florian-Geyer-Brücke (1991 abgerissen) gedreht wurde.
Berühmtester Sohn der Stadt ist wohl Nikolaus Graf Luckner (1722-1794), Marschall von Frankreich, dem Urgroßvater des deutschen Seeoffiziers, Kaperfahrers und Schriftstellers Felix Graf von Luckner. Zu Ehren von Nikolaus Graf Luckner wurde übrigens am 26.April 1792 von Rouget de Lisle das Kriegslied, die spätere Nationalhymne Frankreichs, die Marseilleise, komponiert.
War dieser Ausflug in die Geschichte eher der Kategorie „Lederhose", also Tradition, geschuldet, so war die Werkführung durch das AUDI-Forum und die Produktionshallen (www.audi.de) in Ingolstadt eindeutig in die Kategorie „Laptop" einzuordnen.
AUDI, ein „Global-Player" par excellence, setzt mit 59.513 Mitarbeitern 35,441 Mrd. € um (2010). Produktionsstätten findet man neben denen in Deutschland u.a.in China, Indien, Spanien oder in Ungarn.
Die Produktion setzt auf höchste Effizienz bei höchstem Anspruch an die Qualität der Endprodukte, was bei der Werksführung eindrucksvoll zu sehen war.
Diese bewährte Mischung aus Theorie und Praxis, die die Seminare des Ensheimer-Kreises so informativ wie „unterhaltsam" gestaltet, möchte ich exemplarisch am Tagungsablauf des 13.07.2011 verdeutlichen.
Der Vormittag stand dabei unter dem Thema: „Unternehmenslebenszyklus und die damit verbundenen, erforderlichen Veränderungen". Dieser zunächst recht „sperrig" klingende Titel, wurde inhaltlich von Frau Carmen Fronek, stellv. Vorsitzende und Finanzvorstand in der Geschäftsführung des Trägerwerkes, Soziale Dienste AG, auch den Zuhörern in höchst interessanter Weise vermittelt, die wenige Vorkenntnisse aus dem Bereich der Wirtschaftstheorie mitbrachten.
Nachmittags, dann die Praxis. Zum großen Erstaunen vieler Teilnehmer (und zur Freude der Kinder) ließen sich „Tradition" und „Innovation" an einem äußerst außergewöhnlichen Beispiel, nämlich einem „High-Tech-Drachen", demonstrieren. Dazu vielleicht ein kurzer Exkurs zum besseren Verstehen.
In vielen Regionen Süddeutschlands gibt es Drachensagen, in denen der Drache am Ende getötet wird. Der sog. „Drachenstich" in Furth im Wald gilt als das älteste Volksschauspiel mit dieser Thematik. Im Gegensatz zu „Paff dem Zauberdrachen"(Puff, the magic dragon, Folksong, 1962 von Peter, Paul und Mary), der bekanntlich ja unsterblich ist, musste der Further Drachen seit 1590 öfter durch Nachfolger ersetzt werden.
Nachdem 2006 die Finanzierung gesichert war, folgten nach langjähriger Planung der Bau des High-Tech-Ungeheuers, das zwar keine Jungfrauen, dafür aber 2,3 Mio. € verschlang.
16 Meter lang, 5 Meter hoch und 11 Tonnen schwer, kann das Ungetüm bis 1,5 km/h schnell auf seinen 4 Beinen laufen, besitzt eine lebensechte Mimik, ist voll beweglich, brüllt und spuckt Rauch und Feuer bis 5 Meter weit.
Entwickelt und gebaut wurde der technisch höchst anspruchsvolle Laufroboter von der Firma Zollner Elektronik in Zandt. Zollner (www.zollner.de) gehört zu den Top 15 Anbietern weltweit für EMS (Electronic Manufacturing Services).Der Drache ursprünglich unter dem Projektnamen Tradinno (TRADition /INNOvation)fungierend, wird von den Furthern liebevoll „Fanny"genannt.
Ergänzt und erweitert wurden die Exkursionen und Themenseminare durch die intensiven Diskussionen der Teilnehmer untereinander und mit den Referentinnen und Referenten, und natürlich führten auch die persönlichen, fakultativen Ausflüge in die nähere Umgebung, zu der auch das nahe Tschechien mit der Stadt Domaszlice gehört, dazu, dass man sich ein persönlichen Eindruck von Land und Leuten machen konnte.
Integraler und unverzichtbarer Bestandteil der Seminare des „Ensheimer-Kreises" sind - und werden es sicherlich auch bleiben - die vielen persönlichen Gespräche und Begegnungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit- und untereinander, sowie die freundschaftliche und herzliche Atmosphäre , die auf diesen Seminaren herrscht und die auch diesmal dazu führte, dass man bisweilen noch bis tief in die Nacht oder bis zum frühen Morgen -je nach Sichtweise-mit alten und neuen Freunden zusammensaß und „klönte" wie es norddeutsch heißt, was dem saarländischen „schwätze" nahekommt.
Somit stand auch die diesjährige Begegnung - wie vor 40 Jahren - unter dem damals formulierten Ziel:
„Kristallisationspunkte des Ensheimer Kreises sind die jährlich stattfindenden Familienseminare. Sie behandeln aktuelle Themen, die zuvor auf einer Mitgliederversammlung festgelegt werden. Die Seminare dauern in der Regel eine Woche und finden an wechselnden Orten statt. Regelmäßige Teilnehmer hatten dadurch die Möglichkeit, „nebenbei" vieles von Deutschlands Städten, Landschaften und kulturellen Zeugnissen kennen zu lernen."
Und somit ist auch sicherlich die Vorfreude auf das Treffen 2012 in der Lausitz echt, wie sie von den Teilnehmern beim Abschied von der Oberpfalz gezeigt wurde.
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Fotos: Rita Dadder